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  • AutorenbildSascha Wagner

Selbstbetrug oder die Angst vor den Gefühlen

Selbstbetrug ist ein hartes Wort. In Gesprächen habe ich oft gehört, dass alleine das Wort an sich schon ein Trigger ist. Es hat etwas Anschuldigendes. Es ist per se auch eine Wertung. Betrug verbinden wir mit einer großen Negativität. Betrug hört sich illegal an, gar als Verbrechen. Ähnlich wie Lüge, Heucheln, Respektlos…..sie sind Wörter, die uns sofort in eine Abwehrhaltung zwingen.


Wenn wir jedoch die Wertung weglassen, zeigen sie uns dennoch eine Perspektive dahinter. Denn es geht um das Erkennen, dessen was wir uns nicht ansehen wollen. Dahinter steht, dass wir uns nicht zeigen wollen, aus welchen Gründen auch immer. Wir haben Angst davor uns mit unseren Gefühlen zu zeigen und versuchen eine Möglichkeit zu finden, unsere wahren Absichten bzw. uns selbst zu verstecken. Es ist Angst. Es ist immer Angst. Und Angst lässt uns schützen. Ein Mechanismus, den wir schon als Kinder gelernt haben und unser „Überleben“ gesichert hat. Dieser Mechanismus lässt uns vor allem vor den unangenehmen Gefühlen beschützen. Und dies funktioniert sogar bei Gefühlen wie Freude. In uns verdrehen wir unsere wahren Gefühle zu einem Konstrukt, dass ausgeklügelt gut funktioniert. Und wir erlernen Tools, die uns vor der Welt verstecken.


Häufig, wenn nicht sogar immer, ist es der Mangel in uns, der uns dazu verleitet uns nicht zu zeigen. Weil wir uns schämen zu unseren Bedürfnissen zu stehen. Und selbst wenn wir zu unseren Bedürfnissen stehen, dann ist immer noch die Frage, warum haben wir diese Bedürfnisse? Allein sich mit dieser Frage zu beschäftigen ist abendfüllend. Doch wenn wir uns unsere Bedürfnisse, bzw. unseren Mangel nicht ansehen, werden wir immer wieder mit unserer Angst und damit unserer Unwahrhaftigkeit konfrontiert. Und dies hat Einfluss auf unsere Umgebung.


Im Prinzip beginnt unser Mangel schon weitaus früher. Sie beginnt in unserer Ahnenreihe, es beginnt mit unserer Umgebung, in die wir hineinwachsen, es beginnt mit unserer Welt. Unsere heutige Welt ist gekennzeichnet durch Mangel. Optimierungswahn in Werbung und Medien. Die Illusion, dass nur perfektes Aussehen, perfektes Leben, ein perfekter Job uns zu unseren inneren Frieden und unserem Glück führen können. Doch genau da beginnt unser persönlicher Mangel. Unsere Eltern haben schon diesen Mangel eingepflanzt bekommen und wir leben diesen Mangel aus.


Menschen, die hungern, die nichts haben außer dem nackten Leben, leben in diesem existentiellen Mangel. So wie es nach dem Weltkrieg mit unseren Großeltern geschah, oder den heutigen Flüchtlingen in Moria, oder überall sonstwo auf der Welt. Sie kämpfen um ihr Leben. Dies ist realexistent. Diese Menschen haben nur eine Antwort auf ihr Leid, sie müssen darum kämpfen. Und wenn das Kämpfen nichts hilft, suchen sie andere Wege, um sich z.B. Nahrung zu beschaffen, ein Dach über den Kopf zu erlangen, ihre Kinder, ihre Familie in Sicherheit zu bringen.


Genau dies haben unsere Vorfahren tausendfach erdulden und durchleben müssen. Kein Mensch möchte um sein Leben bangen müssen. Und dennoch ist ihr Kampf, den sie ausfechten authentisch und ehrlich, denn wir wollen leben. Ein absolutes Grundbedürfnis, dass für jeden Menschen nachvollziehbar sein sollte.


Dennoch ist der Mangel dieser existentiell bedrohten Generation, der Mangel der nachfolgenden Generationen. Und nun kommen wir zu uns. Wir haben diesen Mangel von unseren Eltern und Vorfahren „erlernt“. „Komme nicht in den materiellen Mangel!“ Und dies gilt nicht nur für das Materielle. Es gilt auch für unsere Gefühle und Emotionen. Denn auch dieser Mangel bekommen wir weiter gereicht.


Nur heute haben wir genau betrachtet keinen plausiblen Grund unseren erfühlten Mangel zu erkämpfen. Zumindest keinen für uns selbst rechtfertigbaren Grund. Und so verstecken wir unseren Mangel und erfinden Gründe oder verschleiernde Techniken, um unseren Mangel zu befrieden. Ich wünsche mir eine Spielekonsole und stehle sie im Einkaufsladen, weil ich sie brauche, oder um mir Geld zu beschaffen. Ich betrüge meine Frau/Mann, weil ich nicht die Liebe erfahre, wie ich sie „benötige“. Ich trinke, um meinen Schmerz in mir zu lindern und erfinde dafür Gründe die dies verstecken oder rechtfertigen. Ich verletze mich oder sehe den Sinn im Freitod, weil das Leben schrecklich ist und ich leide. Alles gute Gründe, denn sie zeigen, wer ich bin.


Nur habe ich Angst genau dies zu zeigen. Ja…ich habe einen Mangel an Zuwendung, an materiellen Dingen, an ein glückliches Leben, an ein Wohlfühlen. Wenn wir uns dies nicht anschauen und wenn wir immer wieder Gründe dafür finden uns nicht damit zu zeigen, werden wir immer wieder darauf gestossen werden und erreichen genau das Gegenteil. Wenn ich mir meiner Schmerzen, meinem Leid bewusstwerde, kann ich anfangen dafür Verantwortung dafür zu übernehmen und schauen, was es denn wirklich für mich braucht. Und dann kommen wir an einen Punkt, wo wir beginnen zu heilen.


Und ja, es tut weh. Aber es ist wie mit einem gebrochenen Arm, oder einer offenen, eiternden Wunde. Wenn wir vermeiden uns darum zu kümmern, wird es nicht besser, sondern bringt uns im schlimmsten Fall um. Wenn wir beginnen uns um unsere Wunden zu kümmern, können wir schneller heilen und können unsere Aufgabe, für die ich auf dieser Welt bin, gerecht werden. Und wenn wir unsere Wunde heilen, können wir genau dies auch so weitergeben. Können andere Menschen, unsere Kinder, unsere Partner unsere Freunde einen Weg aufzeigen, wie mit man mit solchen Situationen umgeht. Und wir bürden ihnen nicht unseren Schmerz in Form unserer Unwahrhaftigkeit und Bedürftigkeit auf. So kann das, was wir von unseren Vorfahren erlernt haben in etwas heilendes umgewandelt werden.


Es gibt Wege, um genau aus dieser Falle heraus zu kommen. Anfangen kann man nur mit der Wahrheit. Mit der Wahrheit zu sich selbst und der Wahrheit gegenüber seiner Umgebung. Ja, ich habe ein Problem. Ja, ich bin süchtig. Ja, ich weiss nicht mehr weiter. Ja, es geht mir nicht gut. Nur dieses „Ja“ ist der erste Schritt zur Wahrheit sich selbst gegenüber. Und vielleicht gibt es sogar ein weiteres „Ja“. Das Ja, dass mir den nächsten Schritt zeigt. Denn wenn ich mich nicht um meinen Mangel kümmern kann (was sein darf und auch ein Ja darstellt), dann darf ich es mir erlauben um Hilfe zu bitten, die ich annehmen darf, wenn sie mir geboten wird. Denn wir können uns begleiten lassen, von Menschen, die bereits einen Weg herausgefunden haben.


Sascha




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